durch die Greizer Stadtkirche »St. Marien«
GREIZ. Wenn man in diesen Tagen die Stadtkirche „St. Marien“ prunkvoll glänzen sieht und mit großen Augen vor dem Porticus-Altar steht, kann man sich kaum vorstellen, dass dieses Gotteshaus bereits vor zweihundert Jahren so aussah. Bei der Sanierung der Kirche habe man sich im Detail an historischen Befunden orientiert, wie Superintendent Andreas Görbert erklärt.
Bereits im Jahr 1225 wurde erstmals eine Kirche an dieser Stelle urkundlich erwähnt. Um die Kirche herum lag der Friedhof – damals regierten die Vögte von Weida über das Gebiet.
Glocken gab es bereits, sie hingen in einem besonderen Glockenhaus vor dem Turm. Eine Glocke aus dem Jahr 1446 trug die Inschrift: „HILF MARIA“. Im Jahr 1533 wurde auch in Greiz die Reformation eingeführt und die Kirche wurde evangelisch-lutherisch. 1739 erhielt sie – drei Jahre nach der Dresdner Frauenkirche – eine Silbermannorgel eingebaut, die allerdings wie die Kirche den Flammen des verheerenden Stadtbrandes von 1802 zum Opfer fiel. Der Aufbau des Gotteshauses erfolgte in den Jahren 1802 bis 1805. Im Jahr 1934 fand die letzte grundlegende Umgestaltung und Renovierung des Kircheninnenraums statt.
Auf der ersten Empore hatten die Mitglieder der Fürstlichen Familie ihre Plätze. Das Wappen wird von zwei Löwen der Plauener Vögte gehalten, es zeigt in seinem Schild zweimal den reußischen Löwen. Die beiden Kraniche deuten darauf hin, dass die Herrschaft Kranichfeld eine Zeit lang zu den Reußen gehörte.
Ebenfalls auf der ersten Empore findet man in einer Nische den Prunksarg Heinrich VI., des Helden von Zenta. Das Gemälde zeigt das Antlitz des Generalfeldmarschalls, der in der Schlacht gegen die Türken schwer verletzt wurde und an den Verletzungen starb. Rechts neben dem Sarg steht auf einer kleinen Konsole eine Urne, in der das Herz der Fürstin Gasparine, Gattin Heinrich XIX. aufbewahrt wird. Auch die Urnen Fürst Heinrich XXII., seiner Gattin Ida und Sohn Heinrich XXIV. Reuß ältere Linie sind seit einigen Jahren in dieser Nische zu finden.
Wer die Möglichkeit nutzt, einmal den 60 Meter hohen Kirchturm zu besteigen, kann dort auch die Türmerwohnung besichtigen. Der Türmer kümmerte sich um die Wartung der Glocken, vor allem aber agierte er als „Feuermelder“, weil er in luftiger Höhe die beste Aussicht hatte und Feuer zuerst erkennen konnte. Bei einem Feuer blies der Türmer ein Signal und winkte mit einer roten Fahne, in der Nacht schwenkte er eine Laterne in Richtung des Brandes. Die Türmerstelle wurde bereits im Jahr 1763 ausgeschrieben, einer der ersten Türmer war Meister Kempf. Im Jahr 1835 gab es sogar drei Bewerber für diese Stelle, die insbesondere danach ausgewählt wurden, ob sie die 131 Treppen nach oben schafften. Einer wurde als „zu alt“ abgelehnt, ein anderer, weil er „Ausländer“ war. Der Mann stammte aus Gera. Der dritte war Greizer und wurde eingestellt. Tagsüber musste er alle Viertel-und halbe Stunde Umschau halten und danach ein Trompetensignal ausstoßen. Er war zudem Glöckner und hatte zu allen vorgeschriebenen Anlässen die Glocken zu läuten. Stadt-und Kirchenkasse zahlten seinen Dienst zu gleichen Teilen. Bis in die 1920er Jahre gab es die Stelle des Türmers an St. Marien. Da erleichterte bereits ein kleiner Aufzug für Heizmaterial, Wasser und Lebensmittel das Leben des Türmers. Der Turm selbst kann heute nicht mehr bestiegen werden.
Antje-Gesine Marsch @10.09.2013