Der Autor und Pathologe Andreas Nerlich untersuchte den Leichnam Heinrichs LII. Reuß-Köstritz und schrieb das Buch „Die Mumie des Generals“
GREIZ. Der Autor Andreas Nerlich präsentierte am 9. Dezember im Weißen Saal des Unteren Schlosses sein Buch „Die Mumie des Königs General – Heinrich LII. Reuß-Köstritz: Lebensgeschichte eines bayerischen Generals zu Napoleons Zeiten“.
Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Münchner Pathologe mit Skeletten und Mumien, vorwiegend innerhalb Ägyptens. Aus politischen Gründen ist das derzeit allerdings nicht möglich, erklärte der Münchner Professor den Anwesenden.
In der Nähe von Ingolstadt bot sich Andreas Nerlich vor einem halben Jahrzehnt die Möglichkeit, fünf Mumien, die in einer Gruft beigesetzt waren, die saniert werden sollte, zu untersuchen. Eine dieser natürlich entstandenen Mumien war der Adlige Heinrich LII. Reuß-Köstritz (21.9.1763 – 23.02.1851).
Ein Jahr lang untersuchten Prof. Nerlich und sein Team die hervorragend erhaltenen Mumien – im Sommer des Jahres 2012 wurden sie in der sanierten Gruft wieder beigesetzt.
Ziel der Untersuchung war es, Krankheiten der damaligen Zeit herauszufinden, evtl. die Todesursache zu entdecken und Dinge, die auf die damaligen Lebensumstände hinweisen, so Prof. Nerlich. Besonders interessant sei gewesen, Krankheitsbilder zu erschließen, die es heute kaum noch gibt.
Für damalige Verhältnisse sei der Reußengraf, der letztlich an einer Lungenentzündung starb, mit 88 Jahren ziemlich alt geworden. Zudem litt der Adlige an einer Gefäßverkalkung und Arteriosklerose, die bereits die Herzkranzgefäße betroffen hatte. Sichtbar wurde auch eine Tuberkulose. „Die Erreger fanden wir an einem etwa faustgroßen Abszess neben der Wirbelsäule“, so Nerlich, der seinen Vortrag mit zahlreichen Bildern bereicherte. Mittels Computertomographie des gesamten Körpers, die der äußeren Begutachtung folgte, konnte diese Fakten nachgewiesen werden.
Doch nicht nur pathologisch interessant war die Mumie für Andreas Nerlich. „Ich bin neugierig geworden, wie sein Leben wirklich verlief.“ Heinrich LII. lebte in der napoleonischen Übergangszeit, in der es bereits schriftliche Unterlagen gab. Daraus wurde sichtbar, dass der Graf unverheiratet war und auch keine Kinder besaß. Da es keine weiteren Unterlagen gab, machte sich Prof. Andreas Nerlich persönlich auf den Weg in die verschiedensten Archive Deutschlands – unter anderem auch in das Greizer Thüringische Staatsarchiv. Aufgrund dieser Recherchen konnte der Professor einige Stationen auf dem Lebensweg von Heinrich LII. ausmachen:
Mit 17 Jahren verließ er als junger Mann das thüringische Reußenland und ging nach Kurzpfalz Bayern zum Militär. Der Prinz hatte drei weitere Brüder, für die zu sorgen war – der erste ging nach Preußen, der zweite blieb vor Ort. Der Jüngste zog nach England zur Herrnhuter Brüdergemeine.
Im Alter von 20 Jahren, im Jahre 1800, ging es mit dem zweiten Koalitionskrieg für den Reußenprinzen „richtig zur Sache“, so Nerlich.. Die Bayern mussten gegen die Österreicher und gegen Frankreich erhebliche Verluste hinnehmen. Daraufhin bat Heinrich LII. um seine Entlassung. Doch der bayerische Kurfürst schätzte ihn offenbar so sehr, dass er ihn bereits nach einem dreiviertel Jahr aus dem Reußland zurückholte – samt besseren Postens. Heinrich LII. stieg zum Generaladjutanten auf und hatte bis zu seinem Lebensende eine enge Beziehung zum bayerischen Kurzfürsten und späteren bayerischen König. „Er war fast ein Teil der Familie“, schätzte Prof. Nerlich aufgrund seiner umfangreichen Recherchen ein.
Seinen besonderen Dank sprach der Münchner an Hagen Rüster, den Leiter des Greizer Thüringer Staatsarchivs aus.
Service:
„Die Mumie des Königs General – Heinrich LII. Reuß-Köstritz: Lebensgeschichte eines bayerischen Generals zu Napoleons Zeiten“
(ISBN 978-3-00-054636-5, 434 Seiten, 27,80 Euro).
Der Band ist kürzlich erschienen und in der Greizer Buchhandlung „Bücherwurm“ und im Thüringer Staatsarchiv erhältlich.
Antje-Gesine Marsch @03.01.2017